Lateinische Erkenntnisse, „fingers crossed“, Tetunclass und Kokusnüsse am Strand - unsere erste Woche

Veröffentlicht am 14. September 2023 um 12:23

Unsere erste Woche war geprägt von vielen - also unglaublich vielen - neuen Eindrücken, neuen Bekanntschaften, neuen Erkenntnissen und spannenden Erfahrungen. Wir durften bei einer Chorprobe dabei sein, die uns hat erkennen lassen, dass wahrscheinlich jeder hier in Timor unfassbar gut singen kann, weil sie immer wieder betont haben wie schief sie doch klingen, wir aber völlig fasziniert von ihrem Gesang waren. Wir werden immer sofort mitgenommen, aufgenommen und in unglaublich interessante Gespräche verwickelt; so haben wir zum Beispiel erfahren, dass wenn ein timoresisches Paar heiratet gut und gerne mal 1000 Leute kommen können, weil jeder der eingeladen wird - selbstverständlich - seine Familie und Freunde mitanschleppt. Wir wurden auch auf eine Hochzeit eingeladen (weil wir scheinbar jetzt zum Chor gehören und dann auch auf die Hochzeit mitkommen sollen bei der der Chor singen wird - wir müssen aber nicht singen, wir singen nämlich wirklich schief.).

Eine weitere Erkenntnis, mich hat sie sehr schockiert, ist, dass Latein - tote Sprache hin oder her - irgendwie eine Weltsprache ist, zumindest in einem so streng katholischen Land wie Timor Leste. Bei jeder Messe - und wir waren schon in 3 und sind erst knapp 7 Tage hier - freue ich mich immer sehr, wenn ein lateinisches Lied gesungen wird und ich zumindest für die Dauer dieses Liedes den Text verstehe. Das ich die Erkenntnis, dass meine 8 Jahre Latein mehr als hilfreich waren (auch weil sie mir in der Messe ein kleines „Zuhausegefühl“ geben - sehr absurd, ich weiss) ausgerechnet in Timor Leste haben würde, hätte ich wirklich niemals gedacht.

Damit die lateinischen Lieder in der Messe nicht das Einzige bleiben, was wir verstehen, lernen wir seit Montag (11.09.) jeden Tag Tetun in der Universität von Dili. Bedeutet wir machen uns jeden Morgen mit dem microlet auf den Weg, fahren eine Stunde, was uns trotz des sehr kleinen Gefährts sehr großen Spass bereitet und bekommen dann gemeinsam mit einer philippinischen Nonne - Madre Elsie - Tetununterricht. Der Unterricht ist sehr voll aber sehr hilfreich, wir können langsam aber sicher mit unseren Gasteltern sprechen, was ihnen eben so viel Freude bereitet wie uns. So haben wir zum Beispiel gelernt zu sagen: Bomdia ita hutu. Ohin loron hau baa eskola iha mircolet ho aprende Tetun ho Maria i Elsie. Ohin daader ami praktika numero ho oras. Hau kontete, tamba hau bele lian tetun uitian ho koalia ho Mami i Papi. Hau saudades alemanha ho hau saudades haan supermi. Mak nee deit, obrigada.

Das bedeutet: Guten Morgen zusammen. Heute bin ich in die Schule gegangen mit dem microlet und habe Tetun gelernt mit Maria und Elsie. Heute morgen haben wir Zahlen und Stunden geübt. Ich bin glücklich, weil ich die Sprache Tetun ein bisschen kann und mit Mami und Papi reden kann. Ich vermisse Deutschland und ich vermisse es Nudeln zu essen. Das wars, danke!

Tetun ist eigentlich nicht schwer - sie haben weder Konjugationen noch Deklinationen und drücken zb vergangene Situationen immer mit einer genauen zeitlichen Angabe aus, was das lernen definitiv leichter macht - aber es sind sehr viele Vokabeln, die vorallem sehr sehr oft entweder mit einem „h“ oder einem „l“ beginnen.

Ich finde es besonders faszinierend, dass unterschiedliche Viertel in Dili unterschiedliche Wörter benutzen oder eine völlig andere Rechtschreibung gebrauchen. So lernen wir in der Schule beispielsweise Tetun mit einem indonesischen Schwerpunkt, unsere Gastfamilie nutzt aber viel eher die portugiesischen Wörter. Insgesamt macht es mir sehr großen Spass Tetun zu lernen, auch weil die Kinder in der Schule - mit denen wir nachmittags nach unserem Unterricht immer spielen - es total schön finden mit uns halb Tetun halb Englisch zu sprechen. Besonders auch, weil sie sich über unsere ulkige Aussprache oder inkorrekte Grammatik lustig machen können. Ich habe auch den Eindruck, dass es ihnen hilft uns beim Sprache lernen zu beobachten, wie wir Fehler machen und wie man eine Sprache eben nur durch aktives Sprechen lernen kann. Mittlerweile sprechen uns sogar die kleinsten - so ca 4/5 - erste englische Wörter nach.

Im Tetununterricht bekommen wir auch immer kulturelles mit auf den Weg gegeben; so darf man zum Beispiel auf keinen Fall auf eine Person mit dem Zeigefinger zeigen, sondern entweder mit dem Daumen oder mit der ganzen Hand (Handinnenfäche zeigt nach oben) oder nicht „fingers crossed“ zeigen, weil das wohl eine ziemlich schäbige/billige Anmache einer Frau gegenüber einem Mann ist. Sehr gut zu wissen!!!!

Wirklich große Freude bereitet uns das microlet fahren - wir sind unabhängig und relativ frei und müssen nicht zwangsläufig immer von jemandem begleitet werden. Heute waren wir zum Beispiel alleine nach dem Unterricht im Timor Plaza - einer sehr großen Shopping Mall - um unser Handyguthaben zu erneuern und einzukaufen. Der Supermarkt ist zu unserem Safe space geworden, weil wir wenn wir selbst einkaufen zumindest kurz das Gefühl der Kontrolle über eine Lebensmittelvergiftung haben. Mit dem Essen konnten wir uns nämlich leider noch nicht ganz anfreunden. Auch das der Supermarkt „barilla“-Nudeln und Milkaschokolade verkauft gibt uns ein sehr wohliges Heimatgefühl.

Ein weiterer Safe space von uns ist - seit letztem Sonntag - der swimming pool, der zu einem Luxushotel gehört und auch auf dem Niveau ist. Hier gibt es nicht nur Pizza und Pommes, sondern auch „normale“ Duschen, was uns nach dem vermehrten Kakarlakenfund sehr sehr zu Gute kam. Auch die Kokusnuss, die es Sonntag Abend am Strand gab, hat uns den ultimativen Glücksmoment beschert.

 

Trotz all den super spannenden, aufregenden, tollen und oft auch sehr lustigen Momenten, die wir erleben, gibt es auch Momente an denen wir absolut verzweifeln und am liebsten einfach - nur kurz - in Deutschland sein wollen. Heute zum Beispiel haben wir eine riesige Spinne in meinem Zimmer entdeckt - definitiv einer meiner Schwachpunkte. Ich war wirklich so verzweifelt und habe eine kleine Lebenskrise gehabt. Maria hat dann - mutiger denn je - mit Insektenabwehrspray, Mückenklatsche und Stiefel bewaffnet die Spinne erledigt. Noch nie war ich so unfassbar dankbar - und ich war schon sehr oft sehr dankbar - über ihre Anwesenheit.

 

Wir schaffen das alles schon, gemeinsam.



Wie immer: Fragen gerne einfach in die Kommentare schreiben!

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Kommentare

Han Solo Müller
Vor 2 Jahr

Unsere Spinne im Keller gestern war tatsächlich größer.
I………so weit…………I
standen die Augen auseinander!